Allgemeine Anmerkungen

Die Diagnose des Harnblasenkarzinoms stellte die Patienten vor 50 Jahren fast immer vor den schicksalhaften Verlauf einer bösartigen Erkrankung, die das Leben vorzeitig beenden wird.

Seit der Einführung der endoskopischen Operationstechnik mittels transurethraler Resektion und den radikalchirurgischen Operationstechniken hat sich die Perspektive der Blasenkarzinompatienten deutlich verbessert.

Seit etwa 20 Jahren ist die Therapie des Harnblasenkarzinoms nach symptomorientierter Diagnosestellung (Makrohämaturie, chronischer Harndrang) für ca. 60 Prozent der Betroffenen langfristig organerhaltend durchführbar.

Bei ca. 25 bis 33 Prozent der diagnostizierten Harnblasenkarzinome wird die Diagnose des Tumors aber erst gestellt, wenn bereits ein Einbruch des Tumors in die tieferen Blasenwandschichten erfolgt ist.

In der Konsequenz muss eine radikalchirurgische Operation durchgeführt werden. Dabei sind zweidrittel der so operierten Patienten jedoch bereits metastatisch erkrankt, und durch die radikalchirurgische Maßnahme nicht mehr zu heilen.

Dieser Zustand hat sich in den letzten 20 Jahren statistisch nicht nennenswert verändert.

Epidemiologische Untersuchungen aus den siebziger Jahren wie aus dem Ende der 90er Jahre bieten die gleichen Zahlen.

Das bedeutet aber, dass die Verbesserung der operativen Techniken und auch die Verbesserung der nachgeschalteten Möglichkeit einer Chemotherapie die Perspektive der potenziellen Patienten nicht verbessert.

Der Grund liegt darin, dass die Diagnosestellung des Harnblasenkarzinoms basierend auf den Kardinalsymptomen in ca. 25 bis 33 Prozent der Fälle zu spät kommt.

In der Konsequenz kann das nur bedeuten, dass alle Bemühungen dahin zielen müssen, die Diagnose des Harnblasenkarzinoms früher zustellen.

Doch wie kann das erreicht werden?

Ein Ausflug in die Historie kann uns vielleicht helfen. Schon im Jahre 1895 erkannte der Frankfurter Chirurg Dr. Rehn, dass ein Zusammenhang zwischen der Entstehung von Harnblasenkarzinomen und der Berufstätigkeit in den Höchster Farbwerken bestand (1,2).

In der Folge konnte sogar geklärt werden, dass dieser Zusammenhang auf der Exposition mit Anilin-Farbstoffen und deren Abkömmlingen zusammenhing. Hieraus ist der Zusammenhang abzuleiten, das die berufsbedingte Exposition von Risikostoffen das Harnblasenkarzinom in seiner Entstehung begünstigen kann.

In den dreißiger bis sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnten diese Risikostoffe, die beim Menschen krebserzeugend wirken, eindeutig charakterisiert werden.

Dies hat so weit geführt, dass in der bundesdeutschen Gesetzgebung (7. Sozialgesetzbuch SGB VII, § 9 Abs. 1, Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung [BKV]) "Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Schleimhaut und der Harnwege" als Berufskrankheit anerkannt werden.

Inzwischen existiert sogar eine Berufskrankheitenliste der Europäischen Gemeinschaft, die jährlich aktualisiert wird. Sie enthält sogenannte MAK-Werte (Grenzwerte) für Werkstoffe mit aromatischen Nitro- oder Aminoverbindungen in denen Moleküle, die nachweislich Krebs erregend sind, anteilig enthalten sind.

Besonders das Molekül 2-Naphtylamin nimmt eine außergewöhnliche Stellung ein. Es ist einerseits Bestandteil in vielen chemischen Werkstoffverbindungen. Andererseits entsteht es bei unvollständigen Verbrennungsprozessen.

Diese kommen sowohl im Rahmen beruflicher Exposition als auch im normalen Alltag vor. Das heißt: in Kokereien, bei Verhüttungsprozessen, der Kautschuk-Galvanisation sowie beim Tabakkonsum (Zigaretten rauchen) entsteht diese Verbindung und wird über die Atmung und die Haut in den Organismus aufgenommen.

Je nach Intensität der Stoffaufnahme entsteht mit einer Latenz von 20 bis 30 Jahren in vielen Fällen eine bösartige Erkrankung des Harntraktes (Nierenbeckenkarzinom, Ureterkarzinom und Harnblasenkarzinom).

Durch die arbeitsmedizinischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte sind eindeutige Risikogruppen für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms in unserer Bevölkerung zu benennen.

frühzeitige Diagnosestellung durch präventive Diagnostik

Eine mögliche Lösung zur frühzeitigen Diagnosestellung des Harnblasenkarzinoms könnte die Risikogruppen-adaptierte Screeninguntersuchung sein.

Das heißt, alle Personen mit einer berufsbedingten Risikosituation, sowie starke Raucher, ältere Personen und Männer könnten von dem Einsatz eines nicht invasiven urinlöslichen Tumormarkers profitieren.

Der Einzige geprüfte und zertifizierte Marker hierfür ist das NMP 22 (zertifiziert in den USA, Japan, China).

Hiermit wird die Chance geboten, Harnblasenkarzinome zu diagnostizieren, lange bevor sie die klassischen Symptome entwickeln.

In der Konsequenz könnte damit erreicht werden, dass eine frühere Diagnosestellung die Patienten in unkomplizierteren Tumorstadien in die urologische Betreuung bringen. Theoretisch sollte hierdurch die Chance auf Heilung erhöht oder die langfristige endoskopische Beherrschung der Tumorerkrankung ermöglicht werden.

Zur Feststellung des persönlichen Risikos zur Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms dient der RisikoCheck-Fragebogen.

Dieser ermittelt die individuelle Risikowahrscheinlichkeit, an einem Harnblasenkarzinom erkranken zu können, ( was nicht der Aussage entspricht, tatsächlich an einem Harnblasenkrebs zu erkranken).

Basis des RisikoCheck-Fragebogens ist die

Ziel des RisikoCheck-Fragebogens ist die

In gemeinsamer Überlegung mit dem Hausarzt oder dem Urologen kann dann entschieden werden, ob eine Diagnostik zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll erscheint.

Wird zur Diagnostik ein urinlöslicher Tumormarker (s.o.) verwendet, geht dies jedoch zu Lasten des Patienten, da diese Tumormarker bislang zur Untersuchung bei Karzinomen nicht zum Leistungsspektrum unserer Krankenkassen gehören.

Literaturquellen:

1. Rehn, L. Blasengeschwülste bei Fuchsinarbeitern. Arch klin Chir, 558-600 (1895).

2. Rehn, L. Weitere Erfahrungen bei Geschwülsten bei Fabrikarbeitern. Verl Dtsch Ges Chir 33, 231-240 (1904).